Freitag, 20.09.2024 18:02 Uhr

Sara Bennett - Abschiedskonzert einer stimmgewaltigen Frau

Verantwortlicher Autor: Marc Vincent Dietz Hannover, 18.07.2024, 15:44 Uhr
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Maske ablegen, Gesicht zeigen und mutig ganz eigen sein - Sara Bennett
Maske ablegen, Gesicht zeigen und mutig ganz eigen sein - Sara Bennett  Bild: M.V. Dietz mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Hannover [ENA] Das kleine aber feine Leibniztheater mitten in Hannover ist mehr als gefüllt und es hätten noch viel mehr Menschen Einlass begehrt, um am ersten Julitag diesen vorerst letzten Konzertabend mit der Sängerin Sara Bennett bei saunaähnlichen Temperaturen im Saal mitzuerleben.

Vorwiegend alte aber auch einige neue Fans sind gekommen, um ein letztes Mal dem ausdrucksstarken Gesang und den inhaltsreichen Worten ihrer Sara zu lauschen bevor die deutschgebürtige Wahlluxemburgerin mit ihrem Mann für unbestimmte Zeit Europa verlässt. Drei Stunden covert sich die mehrfach ausgezeichnete Stimmakrobatin zum Halbplayback stimmgewaltig, mit viel Witz und locker gekonnt durch sämtliche Genres, von „Nessun Dorma“ über „Simply the best“ bis zu Nenas „99 Luftballons“, und beweist, dass sie wahrlich das Chamäleon unter den Sängerinnen ist, denn diese Stimme kann offenbar alles interpretieren, was musikalisch Bedeutung hat.

Nicht UNTERhalten sondern munter halten

Doch die aparte Lady liebt es nicht nur, ihr Publikum zu „entertainen“ sondern auch, die ausgedehnten Pausen zwischen den Songs für Aufklärung und Ermutigung in einer globalen gesellschaftlichen Umbruchsphase zu nutzen. So kokettiert sie auch gerne mit der Besonderheit der zurückliegenden Jahre für ihren eigenen Prozess, in denen sie ihre Stimme nicht nur musikalisch sondern immer mehr aufklärerisch wider jeglicher Diskriminierung, Spaltung und Zensur erhoben hat.

Der Weg vom Mainstream zu „Mein Stream“

Auch an diesem Abend wiederholt sie leicht augenzwinkernd: „Vor vier Jahren kannte mich kein Mensch“. Die Fotos auf ihrer Internetseite belegen offensichtlich das Gegenteil, auf den wichtigsten Gala-Bühnen Europas mit den Promis auf Du und Du, denn hier posiert sie u.a. noch mit Otto Waalkes, Franz Beckenbauer, Heino, Jan Josef Liefers, Ireen Sheer, Geraldine Chaplin und zahlreichen weiteren Menschen des internationalen öffentlichen Lebens sowie auf der Bühne mit großem Orchester. Understatement oder eine neue Betrachtung der Vergangenheit, einer Zeit, wie sie heute sagt, als sie noch „Dienstleisterin“ war und noch voll im Mainstream mitgeschwommen ist?

Das Hallelujah offenbart die „Luft nach oben“

Auch das Hallelujah von Leonard Cohen darf offensichtlich nicht fehlen und wird von ihr als nicht gerade glückliches Lied einer tragischen Liebe angesagt. Und dennoch stimmt fast das ganze Publikum inbrünstig mit ein, offensichtlich nicht ahnend, wem sie mit diesem Begriff huldigen. Denn anders als der Songtext suggeriert gibt es keine Wahl zwischen einem „holy or ... broken Hallelujah“, da dieser Begriff die hebräische Kurzform für "Lobet/preiset und verehrt Jahwe" ist, der sogenannte "Gott Israels", der sein Volk u.a. zu Kriegen sowie zum Mord an Freunden, Brüdern und Nächsten auffordert (4. Buch Mose, Kapitel 33, Vers 52 bis 55; Buch Exodus, Kapitel 32, Vers 26 bis 29 sowie zahlreiche weitere Stellen der Alten Schrift).

„Denkt mal drüber nach!“

Doch sitzt auch die zunehmend erwachende Sängerin noch einer Jahrtausende alten Infiltration auf und ahnt offensichtlich nicht, dass sie mit der inbrünstigen Intonierung dieses Wortes ihrem ureigensten Anliegen widerspricht. Diese gewaltsamen und brutalen Anwandlungen einer bestimmten Gottesvorstellung erzeugen logischerweise ein Feld, dem Angst und Furcht zugrunde liegen und eben nicht die Liebe, die auch sie im tiefsten Innern mit dem Göttlichen, dem wahren Sein verbindet und die wir alle sind. Man ist versucht ihr und ihrer an diesem Abend mitsingenden Fangemeinde mit ihren eigenen Worten zuzurufen „Denkt mal drüber nach!“

Eine Besinnungspause und kreative Schaffensphase?

Auch wenn wir alle im Kern unseres Wesen vollkommen sind, so ist wohl kaum ein Mensch perfekt und wie gut ist es daher, in der nun kommenden Schaffenspause sich auch dieser tiefsitzenden subtilen aber offensichtlich doch liebgewonnenen Infiltration zur Verehrung eines Rachegottes bewusst zu werden. Vielleicht ist dies ja Anlass, bald nicht nur bezaubernd und bravourös zu covern und zu interpretieren sondern mit für die neue Zeit entsprechenden Kontrafakturen aufzuwarten. Die „mitreißende internationale One-Woman-Show“ könnte dann zu einer begeisternden globalen „Be as One Show“ mutieren.

Authentisch ist das neue Genial

Einst als „vollblutiges musikalisch jonglierendes Cross Over Genie“ betitelt kann man doch schon heute sagen, dass sie das „Authentisch ist das neue Genial“ repräsentiert, denn sie jongliert mit scharfsinnigem Humor und eindeutiger Haltung die schwierigen und aberwitzigen Gegenwartsszenarien aus Politik und Gesellschaft und wird nicht müde zu betonen, dass „es unser Geburtsrecht ist, frei zu wählen und zu sein.“ (Anm. d. Autors: „wählen“ bezieht sich nicht auf die Stimmabgabe) Eine Künstlerin, die sich nicht angepasst hat, um weiterhin auf der großen Bühne zu stehen sondern die auf sich aufgepasst hat, um weiterhin vor sich selbst zu bestehen sowie aufrecht und aufrichtig vor den Leuten zu stehen, die das sehen und dankbar schätzen.

Thank you for the Music and the Courage you’re bringing

Auch an diesem Abend stimmt sie den Song „Thank you for the Music“ an und spricht damit den Besuchern aus dem Herzen, die aber vor allem dankbar sind, hier einer Künstlerin hören zu können, die die Wahrheit nicht auf dem Schafott einer stromlinienförmigen Karriere geopfert hat und sich stattdessen nun unermüdlich für die Freiheit der Menschen und „des uns vom Schöpfer geschenkten freien Willens“ einsetzt. So verliert die Kunstszene, zumindest temporär, mit Sara Bennett nicht nur eine brillante Interpretin sondern auch eine Künstlerin die, z.B. im Gegensatz zu einem Herbert Grönemeyer, nicht für Verbissenheit und Ausgrenzung sondern für Humor und wahren Respekt als Vorbild steht.

Kunst kann und muss sich widersetzen

Kunst kommt angeblich von können, das heißt auch, sich einer ideologischen Instrumentalisierung widersetzen zu können, denn sonst wird aus Kunst Propaganda. Möge also die Kunst in ihrer Reinheit und Schönheit sich einem Zeitgeist orwellschen Irrsinns widersetzen und die Herzen der Menschen erreichen. Wie auch immer man zum künstlerischen Werk und gesellschaftlichen Engagement einer Sara Bennett stehen mag, hierfür steht sie und das hat es unerlässlich gemacht, diesem Abschiedskonzert die Aufmerksamkeit zu schenken.

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